Neuwied

Stadt verfolgt neue Strategie: Gewerbe aktiv in Neuwied ansiedeln

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Im aktuellen Haushaltsplan der Stadt Neuwied stehen rund 25 Millionen Euro für den Ankauf von Gewerbeflächen. Foto: Stadt Neuwied/Ulf Steffenfauseweh

Benötigen Sie zukünftig an Ihrem Betriebsort weitere gewerbliche Flächen? Das hat die IHK Koblenz im Februar und März die Unternehmen im Landkreis Neuwied gefragt. Die Antwort: 59 Prozent sagten ja. Und wo suchen die Unternehmen neue Flächen? Antwort: alle im Nahbereich oder im regionalen Umfeld mit bis zu 30 Kilometer Entfernung. Gleichzeitig antwortete mehr als die Hälfte der Firmenverantwortlichen, dass für ihren Bedarf aktuell keine geeigneten Flächen vorhanden seien.

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Aussagen, die Oberbürgermeister Jan Einig auf dem neu eingeschlagenen Weg der Stadt Neuwied bestätigen. Denn die Verwaltung will eine aktive und vorausschauende Gewerbeansiedlungsstrategie verfolgen und sich nicht mehr darauf verlassen, dass im richtigen Moment zufällig die passenden Flächen vorhanden sind. Das teilt die Stadt in ihrer Pressemeldung mit.

Das mahnende Beispiel dafür, dass Letzteres schief gehen kann, liegt 30 Jahre zurück: 1994 siedelte Lohmann Therapiesysteme (LTS) auf die andere Rheinseite über, weil am Neuwieder Stammsitz keine passenden Flächen zu finden waren. „Als Stadt sind uns seitdem Millionen Euro an Gewerbesteuergeldern entgangen. Das darf sich nicht wiederholen“, betont Einig, der weiß, dass eben dies im kleineren Maßstab auch in den Folgejahren passiert ist. „Unter dem Strich müssen wir konstatieren, dass zum Beispiel die Stadt Andernach nur ungefähr halb so groß ist wie Neuwied, aber ein ähnlich hohes Gewerbesteueraufkommen hat“, hält er fest.

30 Jahre lang rote Zahlen

In der Konsequenz schrieb Neuwied 30 Jahre lang rote Haushaltszahlen, häufte Schulden an und musste in vielen Bereichen wichtige Investitionen aufschieben. Erst vor zwei Jahren gelang der Finanzwendepunkt aufgrund verschiedener Sparmaßnahmen der Verwaltung und in Folge der gerichtlich erstrittenen Neuregelung des Landesfinanzausgleichs. Auch wegen allgemein guter Wirtschaftszahlen konnte 2023 erstmals wieder ein Haushaltsplan mit Überschuss vorgelegt werden, 2024 folgte die Bestätigung.

Doch ob das so weitergeht, ist angesichts großer Herausforderungen und vieler Risiken ungewiss. Neuwied soll aber langfristig in finanziell solideres Fahrwasser kommen. Deshalb hat sich die Verwaltung aufgemacht, Flächen aufzukaufen und baureif zu machen, um daraus Gewerbeflächen zu entwickeln – vorrangig im Friedrichshof, aber auch auf dem Heldenberg. Aktuelle Verhandlungen über Grundstücksankäufe sind schon weit gediehen, abzuwarten sind aber noch die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsberechnung.

Zwei Ausnahmen ausgehandelt

Um solche Ankäufe finanziell stemmen zu können, hat die Stadt die Investitionssumme von rund 25 Millionen Euro in ihren aktuellen Haushaltsplan geschrieben. Später sollen diese durch die Verkäufe der Flächen wieder ausgeglichen werden. Dass aber die damit erst einmal verbundene Netto-Neuverschuldung überhaupt möglich ist, ist Gesprächen mit der Aufsichtsdirektion des Landes (ADD) zu verdanken, bei denen Einig und Beigeordneter Ralf Seemann zwei Ausnahmen aushandeln konnten: für den Ausbau von Kitas und eben die Entwicklung der Gewerbeflächen. Als Gegenleistung musste die Stadt über eine deutliche Grundsteuererhöhung ihre eigenen Einnahmen steigern.

„Das war politisch richtig unangenehm. Und natürlich haben wir das alles andere als gerne gemacht. Aber wir können nicht nur zuschauen, sondern müssen die Entwicklung endlich in die eigene Hand bekommen“, sagt Einig.

Stadt will mitbestimmen

Und es gehe nicht nur darum, Möglichkeiten zu schaffen, damit sich die heimischen Unternehmen weiterentwickeln können. Die Stadt will künftig auch mitbestimmen können, aus welchen Branchen sich Unternehmen in Neuwied ansiedeln. „Da wird es keine starren Vorgaben geben. Wir müssen es jeweils individuell entscheiden. Aber die Wunschkriterien sind kein Geheimnis: Die Unternehmen sollten gut bezahlte Arbeitsplätze anbieten, möglichst Gewerbesteuer zahlen und dabei bestenfalls keinen Flächenfraß verursachen“, beschreibt Einig und ist sicher: „Davon profitieren wir in Neuwied am Ende alle.“